Thema Atemnot, Durchfall oder Lähmun- gen, alles relativ leicht beschreib- bar. Wie aber steht es mit Ängs- ten, Stimmungsschwankungen, Freudlosigkeit, Verlangsamung, Unschlüssigkeit, Minderwertig- keits-, Schuld- und Schamgefühlen u.a.m.? Obgleich das eindeutige psychopathologische Hinweise sein können, werden sie erstaunlich selten beklagt. Warum? Weil sie viel schwerer fassbar, erkennbar, ja treffend zu beschreiben und sogar (vom Selbstwertgefühl her) zu akzeptieren sind. Noch schwieriger wird es bei jenen Krankheitszeichen, die eigentlich unser „Ich“ ausmachen, aber kaum adäquat zu schildern, meist gar nicht bewusst sind, selbst wenn sie beeinträchtigt oder „krankhaft ent- gleist“, erscheinen. Dazu gehören vor allem die deshalb so benannten Störungen des Ich-Bewusstseins. „Um was handelt es sich?“, so die erste Frage. Und die zweite, typisch für unsere Zeit und Einstellung: Ist es überhaupt von Bedeutung, stört oder beeinträchtigt es uns fassbar in irgendeiner Form? Störungen des Ich-Bewusstseins Die Störungen des Ich-Bewusst- seins zählen zu den schwierigsten krankhaften Phänomenen im seeli- schen Bereich. Aus diesem Grund sind sie sogar manchen Experten nicht gerade „alltagsgeläufig“, meinen nicht wenige aus ihrer eige- nen Zunft. Sie sind aber in der Tat auch überaus schwer zu erkennen, ja, zu begreifen, einzuordnen und gezielt zu behandeln. Was sagen deshalb die Psychopathologen, z. B. der Psychiater Prof. Dr. Christian Scharfetter von der Psychiatrischen Universitäts-Klinik Zürich in seinem Fachbuch Psychopathologie (Thie- me-Verlag, Stuttgart 2003)? Der „Nestor der deutschsprachigen Psychopathologie“ war sich der Schwierigkeiten dieser Materie bewusst. Deshalb bot er schon vor Jahrzehnten erst einmal folgende Definitionen an: • Ich-Bewusstsein ist die Gewiss- heit des wachen, bewusstseins- klaren Menschen: „Ich bin ich selber“. Dabei ist zu betonen: • Wir haben nicht Bewusstsein, sondern sind selber Bewusstsein. Wir haben nicht ein Ich-Bewusst- sein, sondern sind Ich-Bewusst- sein. Wir haben nicht ein Ich, sondern sind selber dieses Ich. Das macht dieses Phänomen so schwer fassbar. Denn das Ich ist ein Abstraktum, das für das menschli- che Selbst-Sein steht. In diesem Sin- ne werden hier „Ich“ und „Selbst“ auch bedeutungsgleich gebraucht (im Gegensatz beispielsweise zur psychoanalytischen Lehre, bei der diese beiden Begriffe unterschied- lich definiert sind). Eine Zerlegung des Ich-Bewusstseins in verschie- dene Dimensionen erscheint für den Gesunden nicht zwingend. Sie waren für ihn selbstverständ- lich, zumindest solange er sich in natürlicher Beziehung zu Menschen Weiterlesen Klick Praxis Magazin 7 – 8/2023 7